Appetit auf deutsche Häuser

Er lehnt sich über das Gartentor. Das Grundstück dahinter gehört ihm. „Der Zustand könnte besser sein“, sagt Daniel Grajewski. Das Gras ist hochgewachsen, der hintere Zaun eingefallen, das Haus zu renovieren. Aber das schreckt den 36-jährigen Polen nicht ab, der bis Jahresende mit seiner Frau und den zwei Kindern in die Leubaer Straße nach Ostritz ziehen will. Nach dem Tod seines Vaters im Oktober lebt die Mutter allein in Zgorzelec. Um in ihrer Nähe zu sein, hat Daniel Grajewski seine Arbeit als Kraftfahrer in einer Irischen Spedition aufgegeben und wohnt mit seiner Familie bis zum Umzug bei ihr. Das Haus in Ostritz kaufte der Pole vor fünf Jahren, damals aber noch als Kapitalanlage. Der Preis von 15.000 Euro lockte ihn über die Grenze. „Das war günstig“, sagt er. Daniel Grajewski ließ das Grundstück erschließen, erneuerte mit seinem Vater die Elektrik, tauschte die Fenster aus, renovierte die Räume, baute eine Küche ein, investierte 30.000 Euro.

Er ist nicht der einzige Pole, der im Nachbarland ein Haus oder eine Eigentumswohnung kauft. Immobilienmakler Jan Grabski von Kamar-Finanse in Zgorzelec verspürt seit 2011 eine verstärkte Nachfrage seiner Landsleute nach deutschen Objekten als die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft trat. Und so kommen die Polen nicht nur verstärkt über die Grenze arbeiten, sondern bleiben gleich da. Das zeigen auch die Zahlen des Statistischen Landesamtes. Wohnten vor drei Jahren noch 2.043 Polen im Landkreis Görlitz, liegt die Zahl für 2013 schon bei 2.724. „Mittlerweile sind viele in Deutschland beschäftigt und suchen nach Immobilien“, sagt Jan Grabski.

Daniel Grajeweksi hat sein Objekt schon gefunden, obwohl ihn das schon einiges gekostet hat. So kam nach der ersten Renovierung gleich das August-Hochwasser 2010 und brachte ihm Schäden von 10.000 Euro. „Eine Katastrophe“, sagt der 36-Jährige. Hilfe erhielt er keine. Eine zweite Renovierung folgte. Dann zog eine vierköpfige Familie ein. Zwei Jahre blieb sie, verschwand trotz Kündigungsfrist sofort – nahm laut Eigentümer den Kühlschrank und die Duschkabine mit, hinterließ Mietschulden von 5.000 Euro. Ein Anwalt riet ihm ab, gegen eine Hartz–IV–Familie vorzugehen. Er habe schlechte Karten, das Geld wiederzusehen, hieß es. Doch Daniel Grajewski will das Haus nicht einfach aufgeben und lässt es deshalb nun zum dritten Mal auf Vordermann bringen.

Preise künstlich hochgehalten

Der Grund: Das kommt ihn immer noch günstiger, als ein vergleichbares Grundstück in Polen zu erwerben. Viermal so hoch liegen die Preise dafür. Das bestätigt Jan Grabski. Das ist bei Eigentumswohnungen ähnlich. So kostet beispielsweise eine mit drei Räumen und 75 Quadratmetern in Görlitz etwa 30.000 Euro, in Zgorzelec 50.000 Euro. Laut dem Immobilienmakler werden die Preise in Polen künstlich hochgehalten, auch bedingt durch den knappen Wohnraum. „Verhandeln ist dort Standard“, sagt er. In Deutschland soll der Leerstand höher sein. Jan Grabski spricht aber neben den geringeren Anschaffungskosten auch von einer besseren Infrastruktur in Deutschland, anderen Gebäude-Standards und höheren Mieteinahmen als in Polen. Rund 100 Angebote hat der Immobilienmakler ständig im Angebot. Davon sind 80 aus Deutschland. Die Anfragen danach sind laut Jan Grabski – der ein Studium in den Fremdsprachen Deutsch/Englisch absolviert hat – inzwischen so hoch, dass sein Büro im November nach Görlitz umzieht und dann Kamar-Immobilien heißt.

Doch nicht nur die Polen kaufen immer mehr deutsche Immobilien, sondern auch Tschechen. Die Gründe sind dieselben. Und der Anteil an der Bevölkerung im Landkreis Görlitz steigt ebenfalls, wenn auch geringer.

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes erhöhte sich die Zahl der Tschechen von 282 vor drei Jahren auf 363 in 2013. Einer von ihnen ist beispielsweise der Liberecer Martin Stutek, der in Zittau eine Immobilie besitzt. Er pendelte einige Jahre zwischen seiner tschechischen Wohnung und der deutschen Arbeitsstelle, bevor er das Haus erwarb. Die günstigeren Preise gaben den Ausschlag.

Eine Beobachtung, die auch Immobilienmakler Vit Klima aus Prag macht. An ihn wenden sich Tschechen, die in Deutschland auf dem Bau oder im Gesundheitswesen als Ärzte oder in der Altenpflege arbeiten. Er hat festgestellt, dass die meisten, die länger als ein Jahr nach Deutschland gehen, sich eine Immobilie kaufen. „Wer kürzer bleibt, mietet sich etwas“, so Vit Klima. Für Tschechen sprechen nach seiner Auskunft drei Gründe, sich Immobilien in Deutschland zu kaufen: der Arbeit wegen, als Investition oder zur Erholung – Letzteres vor allem im Grenzgebiet.

„Krisensichere Anlage“

Die Immobilienvermittler von der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien beschreiben den Anteil an ausländischen Käufern hingegen als stabil. Seit 2008 haben sie 23 Objekte vermittelt, rund 35 Prozent der Käufer sind Tschechen. „Deutsche Immobilien gelten als krisensichere Anlage“, so Sprecherin Vivien Kneschke. Und auch bei der Volksbank sind die meisten ausländischen Käufer aus Tschechien, wobei diese laut Firmenkundenberater Jörg Reichelt nur einen kleinen Anteil aller Anfragen ausmachen.

Laut Immobilienmakler Jan Grabski wird sich die hohe Nachfrage nach deutschen Objekten auch irgendwann auf den polnischen Markt auswirken, die Preise dort folglich sinken. Aber dafür sei es noch zu früh, berichtet er. Und wenn sich der Trend des Immobilienerwerbs einmal umkehrt, zieht sein Büro eben wieder nach Zgorzelec um.

Doch Daniel Grajewski will mit seiner Familie in Deutschland bleiben, sich eine Arbeit suchen und die Sprache lernen. Ihm gefällt die ruhige Lage seines Hauses nahe der Neiße in Ostritz. Und bis nach Zgorzelec sei es auch nicht weit, sagt er mit Blick auf seine Mutter und die günstigeren Preise beim Tanken.